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Im Zweifel für den Aktionär
Seltsame Änderungen der Mindestzuführungsverordnung führt zu immer stärkerer Bevorteilung der Aktionäre von Lebensversicherungsgesellschaften gegenüber deren Kunden
Für alles gibt es eine Vorschrift in Deutschland, das bedeutet aber keineswegs, dass damit auch alles „in Ordnung“ ist, was da so geregelt wird. Eine gruselige Erfahrung machen viele Versicherungsnehmer, die sich fragen, warum die Ablaufleistung Ihrer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung immer weiter sinkt. In den meisten Fällen wird, auch in der öffentlichen Reflexion dieses Themas, das niedrigere Kapitalmarktniveau angeführt. Da ist natürlich auch etwas dran, aber wie die FAZ recherchiert hat, ist das wohl nicht das einzige Problem. Klammheimlich hat die Politik den Versicherungsgesellschaften, genauer deren Eignern über die Änderung einer Verordnung ein ordentliches Zubrot verschafft. Die Mindestzuführungsverordnung regelt die Verteilung der Gewinne, die eine Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet. Das sind in erster Linie Gewinne aus Kapitalanlagen, wie Zinsgewinne. Aber auch Risikogewinne und Kostengewinne, die entstehen, wenn kalkulierte Kosten oder Risiken nicht in der erwarteten (sondern tatsächlich niedrigeren) Höhe entstehen. Bis 2008 galt, dass 90 Prozent der anfallenden Überschüsse den Kunden zuzuweisen sind. Im Jahr 2008 wurde die Politik tätig und änderte die Mindestzuführungsverordnung, von der Öffentlichkeit unbeachtet. Diese stille Änderung im Hintergrund hat einige gravierende Auswirkungen auf die Gewinnverteilung. Zunächst einmal wurde der Verteilungsschlüssel zulasten der Versicherungsnehmer geändert, nunmehr müssen die Versicherer mindestens 90 Prozent des Zinsgewinns, mindestens 75 Prozent des Risikogewinns und mindestens 50 Prozent der sonstigen Gewinne ihren Kunden gutschreiben. Zunächst sieht es also so aus, als ob für den Löwenanteil, den Zinsgewinn alles beim Alten bleibt. Aber weit gefehlt, auch hier haben die Versicherungslobbyisten ganze Arbeit geleistet. Denn auch die Bemessungsgrundlage des Zinsgewinns wurde geändert. Während vor der Neuregelung die Garantiekosten zunächst abgezogen wurden, bevor der Gewinn verteilt wurde, wird nun zunächst der Gewinn verteilt und dann werden die Garantiekosten abgezogen. Der Kuchen ist somit für die Aktionäre größer geworden. Aufgrund der geänderten Abzugsmodalität der Garantiekosten kann es sogar passieren, dass die Versicherungskunden nichts von den Zinsgewinnen erhalten, während die Aktionäre ihren Teil bekommen. Betroffen sind aber nur Kunden, die ihre Kapitallebens- oder private Rentenversicherung bei einer Aktiengesellschaft haben. Wer Kunde einer Versicherungsgesellschaft ist, die als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit besteht, ist sowohl Eigentümer als auch Kunde.
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